Im Wort

Im Wort

Im Wort 1808 2560 Herwig Laabs

„Im Wort ruht Gewalt wie im Ei die Gestalt, wie das Brot im Korn, wie der Klang im Horn…“ so beginnt ein Gedicht von Ina Seidel, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihre Erfahrung „verdichtete“. Und heute? Sehen wir, was das Wort – geschrieben oder gesprochen – anrichten kann? Es hat die Gewalt zu verletzen oder zu ermutigen, aber der Gebrauch der vielen „Wörter“ zeigt, wie wenig Wert dem „Wort“ zugebilligt wird. „Ich nehme Sie beim Wort…“ das gilt anscheinend wenig. „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern!“ (soll ein namhafter Politiker gesagt haben) Es gibt in unserer Zeit eine „Inflation“ der Worte; ihr Wert sinkt auf null.

Wir unterscheiden zwischen Wörtern und Worten. Wörter stehen im Wörterbuch, während Worte einen sinnvollen Satz voll allgemeiner Bedeutung bilden. Viele Wörter machen oft keinen Satz von existenzieller Bedeutung, meistens sind sie ein Geplapper – ein Bla Bla. Worte sind unmittelbar gebunden an den Sprecher und wollen Hörer erreichen. Wie vertrauenswürdig, wie glaubwürdig erscheint der Redner? Fehlt die Echtheit, die Wahrheit, dann wird der Hörer nicht auf-hören, er wird nicht berührt vom Wort

Ich selbst habe in den Jahren meines Lehrerlebens und als Offizier solche Erfahrungen gemacht. Es gab Worte, die mich ermutigten oder kränkten. Ich bin dankbar, wenn ehemalige Schülerinnen (auch Schüler) mir sagten, dass ein Zuspruch von mir für sie befreiend und ermutigend gewesen wäre. Aber auch das hat es leider gegeben, dass ein unüberlegtes, (meist als Urteil) achtlos ausgesprochenes Wort verletzend gewirkt hat. Das „Wort“ hat getroffen, das Innere eines Menschen berührt, es hat „Wirkung“ gezeigt.

Diese „Resonanz“ (Hartmut Rosa) hat der Sprecher nicht in der Hand. Er kann sie nicht herstellen, nicht absichtlich „machen“. Die „Macht“ des Wortes ist unverfügbar. Sie wirkt im Menschen und bringt eine Wandlung in Gang, die unerwartet und unvorhersehbar erscheint. Ich verstehe „Resonanz“ als den Geist, der weht, wo er will. Goethe lässt im „Faust“, seinen Gelehrten, bei dessen Suche nach Offenbarung – die erste Zeile des Evangeliums nach Johannes – in sein „geliebtes Deutsch“ übertragen: Geschrieben steht: Im Anfang war das Wort – hier stock ich schon, wer hilft mir weiter fort? Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen. Ich muss es anders übersetzen. Er übersetzt es suchend, sich vorsichtig vorwärts tastend mit Sinn, Kraft, und Tat. Und wirklich: das Wort Gottes ist unfassbar, unbegreiflich, es kann nicht übersetzt werden. Auf sein Wort hin, vertraue ich meinen Weg weiterzugehen. Nur selten verspüre ich diese Resonanz, denn auch ich, als Hörer, habe es nicht in der Hand, ich kann es nicht „wollen“, Resonanz zu verspüren.
Liebe Leserin und Leser nehmen wir uns in Acht, wenn wir sprechen, denn

 

Im Wort ruht Gewalt, wie im Ei die Gestalt,
Wie das Brot im Korn, wie der Klang im Horn,
Wie das Erz im Stein, wie der Rausch im Wein,
Wir das Leben im Blut, in der Wolke die Flut,
Wie der Tod im Gift –und im Pfeil, der trifft –
Mensch, gib du Acht eh´ du es sprichst, dass du am Worte nicht zerbrichst.
Ina Seidel

Herwig Laabs
Ehemaliger Lehrer, aktiver Umweltschützer
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