Wege des Gelingens

Elias Stangl

Wege des Gelingens

Wege des Gelingens 1908 2560 Dr. Elias Stangl

Wie oft strebe ich in meinem Leben nach Anerkennung, Zuwendung, Zugehörigkeit, Sicherheit oder Autonomie? Eigentlich ziemlich oft! Im Alltag, in Hoch- und Tiefzeiten, einfach immer wieder.

Am liebsten wäre es mir, wenn ich Kriterien erfüllen oder „herstellen“ könnte, die mir Sicherheit geben. Aber letztlich muss ich erfahren, dass mein Sicherheitsgefühl eben nicht kontrolliert herstellbar ist.

Um wieviel mehr gilt diese Unverfügbarkeit für die anderen Bestrebungen nach Anerkennung und Zugehörigkeit oder Autonomie!?

Was die Sicherheit in familiären und gemeinschaftlichen Beziehungen angeht und dann auch Anerkennung und Zugehörigkeit mit sich bringt, konnte ich in meinen Jugendjahren erleben, in denen ich mich in einer 8-köpfigen Familie und in einer geistlichen Gemeinschaft getragen wusste. Dankbarkeit wurde zu einer Lebenshaltung. Zugleich habe ich erfahren, dass der Eintritt in ein monastisches Ordensleben nicht zwangsläufig auch zu Sicherheit bzw. zu tragenden Beziehungen führt. Ob Beziehungen tragen oder nicht bleibt nun mal – zumindest teilweise – unverfügbar.
Heute bin ich verheiratet – wir freuen uns über drei Kinder… zugleich leiden wir – das gehört zur Ehrlichkeit.

Die Konfrontation mit dem Gedankengut von Viktor Frankl führte dazu, dass ich merkte: hier geht es um „etwas existenziell Bedeutsames“ (Hartmut Rosa). Die Frage nach Sinn und die Ermutigung, Verantwortung für die Verwirklichung meines ganz persönlich gestalteten Lebens-Sinns zu übernehmen, faszinierte mich. Durch eine Weiterbildung lernte ich nicht nur den Zugang zu meinen Gefühlen, sondern auch die Möglichkeit, meine inneren Werte zu aktivieren. Dankbarkeit stellte sich ein.

Bild: Dr. Elias Stangl

Bild: Dr. Elias Stangl

Diese sogenannte Wertimagination, die ein wunderbarer Weg zu den jeweils eigenen inneren Werten ist, kann als bewusste „Wanderung“ zum unbewussten Geist bezeichnet werden. Hier komme ich mit der sprudelnden Quelle in mir in Berührung: ich sehe vielleicht abstrakte oder konkrete Bilder und spüre dabei die Kräfte in mir deutlich, sodass sie wirksam im Alltag werden.
So erlebe ich Wirklichkeiten, die wirken und schöpfe dabei aus meinem eigenen Inneren. Wie kostbar sind deine Werke, Herr! Den Menschen hast du „nur wenig geringer gemacht als Gott, du hast ihn gekrönt mit Pracht und Herrlichkeit“ (Ps 8,3)

Es ist wunderbar, wenn man Menschen dabei begleiten darf, dass sie Orientierung finden durch den „Blick nach innen“. Das kann durchaus ein konkreter Weg des Gelingens sein, den ich in aller Demut begleite. Wenn Menschen Orientierung, Halt oder inneren Frieden finden – wie schön ist das!

Gibt es so etwas wie ein Resonanzgeschehen, das durch das eigene Innere ausgelöst wird – eine Resonanz mit dem eigenen Inneren? Eine Anverwandlung wird es allemal sein, wenn ich durch die inneren Werte angestoßen werde, neue Dimensionen des Lebens zu leben.

Zugleich muss bewusst bleiben, dass Menschen mit besonderen Fähigkeiten oder Einschränkungen gewisse Wege nicht so gut gehen können. Ob ich einen Menschen mit sehr wenig IQ oder EQ den Zugang zu seinen inneren Werten erschließen kann, weiß ich nicht. Lasst uns diese Menschen nicht vergessen!

Leben kann gelingen, auch wenn die üblichen Kriterien nicht erfüllt sind oder auch die besonderen Qualitäten wie Resonanzgeschehen in Ungewissheit bleiben.
Wenn es um gelungenes Leben geht, versuche ich zu ergründen, was Jesus sagen wollte, als er uns zurief: „Ich will, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ (Joh 10,10)
Schnell fällt mir die Vielheit ein und dann gleich die Vielfalt – bald auch das Genießen. All dies darf sein und ist gut. Doch kann es durchaus sein, dass ein Leben in Fülle bedeutet, eine kleine und feine Wurzel in die Tiefe zu schlagen und in aller Stille eine Erfüllung zu erleben, die einfach nur zufrieden macht. Menschen mit Beeinträchtigung habe ich solche Wurzeln schlagen sehen – Anverwandlung in mir. Dankbarkeit ist spürbar und Staunen kommt.

Ein Weg, der zu einem gelungenen Miteinander führt, ist derjenige auf den anderen Menschen zu. Mithilfe der Aktivierung meiner inneren Liebesfähigkeit kann ich es versuchen, mich zu überwinden und auf den jeweiligen anderen Menschen zugehen. Egal ob in der Partnerschaft oder im beruflichen Kontext. Es erscheint wichtig zu sein, sich zu überwinden und auf den anderen zuzugehen.
Warum? Weil das „Überwinden“ einfach nötig ist, um der naturgegebenen Bequemlichkeit einen Strich durch die Rechnung zu machen. Das „auf den anderen zugehen“ ist eine hohe Kunst, die ausnahmsweise mal NICHT geübt werden kann, sodass es immer besser klappt, sondern die schlicht und einfach immer wieder aufs Neue getan werden muss.

Ich bin fest davon überzeugt, dass sich Beziehungen gestalten lassen, sodass sie tragend bleiben… und zwar am ehesten mit der Haltung „sich überwinden und auf den anderen zugehen“. Das gilt im Arbeitskollegium genauso wie in einer Ehe. Wie oft stoßen wir an unsere Grenzen, wenn wir etwas schon zwei oder drei Mal ge- oder erklärt haben und nicht nochmals (er)klären wollen?! Stopp. Den Stolz überwinden und auf die andere zugehen! Eben ein drittes Mal bitten oder erklären!

Und ich muss es auch dann tun… mich überwinden und auf den anderen Menschen zugehen, wenn ich nicht weiß (weil es eben unverfügbar bleibt und der andere Mensch in seiner Reaktion und überhaupt als Wesen unverfügbar ist) ob dieser Schritt auf den anderen zu eigentlich willkommen ist.

Es kann sich wie eine verlorene Liebesmüh‘ anfühlen – es kann aber auch gelingen… die Augen meines Gegenübers strahlen, die stille Dankbarkeit des anderen wird spürbar, die Beziehung lebt auf, das Aufeinander-Zugehen wird gemeinschaftlich und umfassender – Früchte gedeihen. Leben in Fülle entsteht. Ein Weg des Gelingens wurde gegangen.

Dr. Elias Stangl
Familienvater (3 junge Kinder)
Theologe, Pastoralpsychologe, Bildungsreferent KJF Augsburg

  • Resonanz wirklich

  • Ein schöner Text. Ich schließe an: Psychodrama ist die Einladung zur Begegnung, mit dem Gegenüber und mit sich selbst, seinem Inneren – immer wieder an dieser Begegnungsfähigkeit zu arbeiten und somit Resonanz herzustellen.

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