Erstaunliches Geschehen

Erstaunliches Geschehen

Erstaunliches Geschehen 1280 640 Helmut Zoepfl

Ich erinnere mich an eine kleine Geschichte, die uns unser Mathematiklehrer erzählt hat.

Der Erfinder des Schachspiels soll zum König gerufen worden sein, der ihm ein Danke sagen wollte für das, was ihm dieses Spiel für Freude bereitet hätte. „Wenn du einen Wunsch hast“, versprach er, „werde ich dir denselben nach Möglichkeit versuchen zu erfüllen“. „Dann lege auf das erste Feld eines Schachbrettes 2 Reiskörner, als nächstes das Doppelte, aufs Nächste wieder doppelt so viel, also 2, 4, 8, 16, 32 und so weiter, bis alle Felder jeweils mit der zweifachen Menge des vorausgegangenen Feldes mit Reiskörnern aufgefüllt sind.“ Der König war über das scheinbar so bescheidene Angebot erfreut und ließ sogleich ein paar Körbe mit Reis herbeibringen.

Bei den 64 Feldern schien das eine Kleinigkeit zu sein. Aber was war das: 2 – 4 – 8 – 16 – 32 – 64 – 128 – 256 – 512 – 1024 – 2048 – 4196 – 8392 – 16 784 – 33.568 – 67.136 – 134. 272 – 268. 544 – 537. 088 – 1. 074.176 – 2.148.352 – 4.296.704 – 8.593.408… Schon nach 30 Feldern ergab sich eine riesige Zahl.
Der König befahl immer neue Lieferungen. Aber bei 40 Feldern waren sämtliche Reisvorräte des Landes aufgebraucht. Als dann der herbeigerufene Mathematiker des Landes zu Hilfe gerufen wurde, nannte er das Endprodukt. Eine unvorstellbare Zahl die weit, weit über allen Reisbesitz der ganzen Erde hinausgegangen wäre. 18 Milliarden Millionen Reiskörner. Der König, so heißt es in der Geschichte, soll bei dieser Zahl bitterböse auf den vorher so gelobten Erfinder geworden sein und ihn zornig des Landes verwiesen haben.

Ich weiß, es ist eine Utopie, aber manchmal träume ich davon, dass ich zwei Leute anrufe und sie bitte, heute ein paar Sätze unserer so schönen christlichen Botschaft weiterzugeben. Jeder soll wieder je zwei Leute mit derselben Bitte anrufen. Unschwer ließe sich ausrechnen, was diese Aktion alsbald bewirken würde, wie viele Menschen wenigstens einmal am Tag neben den meist negativen Meldungen vielleicht einen Denkanstoß bekämen Gutes weiterzusagen und auch zu tun.

Ja, ich weiß dieser Traum wird in der Realität sehr schnell scheitern. Vielleicht aus Bequemlichkeit, vielleicht aus Vergesslichkeit. Vielleicht auch, weil der Weg vom guten Willen zum guten Wort und von da zur guten Tat auch oft fast unendlich weit ist. Aber eventuell sollten wir uns ein Beispiel an Sisyphus nehmen, der wohl weiß, dass die Steine, die er hoch schleppt, immer wieder vom Berg herunterrollen. Camus bezeichnet diesen Sisyphus als „glücklichen Menschen“. Wie kann jemand glücklich sein, der sich immer wieder scheitern sieht? Aber gleicht nicht vieles im Alltag dieser griechischen Sagengestalt, wo Menschen helfend stets einen neuen Anlauf nehmen, auch wenn sie befürchten müssen, dass es nichts hilft. Und danach sind sie dabei irgendwie glücklich, auch im Ankämpfen gegen Resignation.

Und vielleicht klappt es doch eines Tages, wie in dem bekannten Beispiel eines kleinen zarten Schmetterlings, wo sein Flügelschlag einen Luftzug auslöst, der zum Wind, dieser zum Sturm und der letztlich zum Orkan wird.  Der Versuch kostet nichts, und man sollte es zumindest immer wieder versuchen oder zumindest den Versuch anregen, bevor man bloß ein resigniertes „Oh mei, oh mei“ sagt.

Helmut Zöpfl

Helmut Zöpfl, Autor
Prof.Dr.phil.; Dr.phil.habil.;Dr.rer.nat.;
Dr.theol.et.Dr.sient.h.c.; Dr.paed.et.ling.h.c; Dr. jur.hc.

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