Nicht nur bei meiner Morgenrunde versuche ich Augen, Ohren und Nase offenzuhalten.
Ich freue mich über die Momente, in denen mir gelingt ,
die erstaunliche, herrliche Natur zu dieser Jahreszeit wahrzunehmen
und freue mich über die Momente, wenn ich ein wenig traurig bin,
weil ich das Erblühen, das Ergrünen dieser oder jener Pflanze übersehen habe.
Ein Trost und eine Freude ist mir,
dass all das, was die Natur in den vergangen Wochen hervorgebracht hat,
gar nicht wirklich zu fassen ist.
Nicht nur bei der Morgenrunde versuche ich Augen, Ohren und Nase offenzuhalten.
Ich freue mich über die Momente, in denen mir das gelingt,
im resonanten Kontakt mit Menschen wahrzunehmen,
wie erstaunlich, ja wie großartig Menschen sein können.
Ich freue mich über diese Momente, in denen sich Himmel und Erde berühren.
Und ich freu mich über die Momente, wenn ich ein wenig traurig bin,
weil ich solche Gelegenheiten verhindert habe.
Ein Trost und eine Freude und eine Aufgabe ist mir,
dass jeder Tag solche Gelegenheiten anbietet.
Hannah Arendt spricht von Natalität,
wir sind befähigt, neu anzufangen,
Neues hervorzubringen,
ein Gedanke entsteht, den ich vorher nicht gedacht habe.
„Deshalb ist Resonanz sozusagen der Ort der Entstehung des Neuen,
aber dieses Neue ist unverfügbar, man kann es nicht vorhersehen und vorhersagen.
Es braucht ein heraustreten aus dem Aggressionsmodus,
für einen Moment nicht zu fragen:
Was habe ich davon? Was kriege ich? Was will ich erreichen? Was beherrsche ich?“
Hartmut Rosa: „Demokratie braucht Religion“ S. 66
Martin Knöferl
Beitragsfoto: Elisabeth Wiedemnn