Ist der Sinn verfügbar oder unverfügbar?

Ist der Sinn verfügbar oder unverfügbar?

Ist der Sinn verfügbar oder unverfügbar? 908 1076 Hannes Häntsch

Der weltberühmte Arzt und Psychologe Viktor Frankl ist Begründer der Dritten Wiener Schule der Psychotherapie – der Logotherapie und Existenzanalyse. Viktor Frankl hat sich zwar nicht mit dem Thema der Verfügbarkeit und Unverfügbarkeit auseinandergesetzt, jedoch hat er in seiner Lehre zwei Sinnkonzepte beschrieben, die das Thema auf analoge Weise berühren.

Einer seiner wesentlichen Grundgedanken ist die Idee, „dass der Mensch eigentlich nach dem Sinn des Lebens gar nicht fragen darf, gar nicht fragen kann. Und zwar aus dem einfachen Grunde, weil er eigentlich sich, sein ganzes Dasein, sein Leben, als Gefragt-Werden verstehen müsste.“ Der Mensch wird vom Leben befragt und sucht darauf seine Antwort. Diese Antwort ist für Viktor Frankl eine „verantwortete Antwort“. Damit ist weniger eine abstrakte moralische Pflicht, als vielmehr die Resonanz des eigenen Herzens gemeint. Bei diesem Antwortgeben erinnert er uns an die menschlichen Fähigkeiten: die Willenskraft und die Entscheidungsfähigkeit. Mit diesen Talenten sind wir aufgerufen, uns „für den Sinn und die Sinnhaftigkeit des gerade Gegebenen zu entscheiden“. Und selbst wenn wir keine Sinnmöglichkeit sehen, besteht unsere vordergründige Aufgabe darin, zu handeln, um den Sinn zu suchen.

Neben dieser Aufforderung betont Viktor Frankl aber auch, dass der Mensch den Sinn nicht planen, machen oder herstellen kann. Der Sinn kann nur entdeckt und gedeutet werden. Bei der Suche nach dem Sinn wird keine allgemeine Formel helfen, denn hat zu eigen, dass er immer nur im Kontext einer konkreten Situation und einer individuellen Persönlichkeit versanden werden kann. Für jeden Menschen und jede Situation gibt es deshalb nur eine wahre Sinndeutung. Was wir tun oder unterlassen, hat für den Sinn des ganzen Lebens eine beachtliche Bedeutung. Unsere tägliche kleine „Sinnantwort“ ist wie ein Stein, in das je größere Sinn-Mosaik des Lebens eingefügt. Viktor Frankl nennt diesen umfassenden Sinn des Lebens, den Übersinn. Der absolute Sinn des Lebens, der Übersinn, bleibt für den Menschen unverfügbar und unfassbar. Alle Bemühungen ihn zu begreifen werden scheitern, weil wir ihn erst im Rückblick erahnen können oder sehen können. Was uns bleibt, ist, an den Sinn des Lebens zu glauben. Wir müssen im Augenblick unseres Handelns auf einen tieferen Sinn vertrauen.

Für Hartmut Rosa wird während seiner Betrachtung über die Verfügbarkeit und die Unverfügbarkeit der Aspekt der Resonanz bedeutsam. Ich glaube, Viktor Frankl hätte mit der Resonanz das Gewissen des Menschen verbunden. Auf der Suche nach dem Sinn ist dem Menschen ein Resonanzraum für das Wahre, Gute und Schöne geschenkt. Das Gewissen ist für Viktor Frankl der Kompass, welcher dem Menschen zwischen den zwei Dimensionen des Sinns die Richtung weißt. – Ist der Sinn nun verfügbar oder unverfügbar? – Sowohl als auch. Wenn wir uns an den Sinn hingeben, ohne gleich eine Gegenleistung zu erwarten; wenn wir das Leben lieben und auf dessen Erfüllung vertrauen, kann er sich zwischen uns und den Dingen ereignen.

Hannes Häntsch
Sozialarbeiter und Logotherapeut
www.geist-und-erde.de

Bildausschnitt: Skulptur: „vergegenwärtigen“ (Mose empfängt die Gebote)
„Alles, was der Herr gesagt hat wollen wir tun; und wir wollen es hören.“ (Ex 24,7)

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