Der Mensch ist Menschen

Der Mensch ist Menschen

Der Mensch ist Menschen 530 706 P. Anselm Zeller OSB

Mtu ni watu – Der Mensch ist Menschen

So lautete der Titel des Lehrbuchs für Kiswahili, das mich einige Monate beschäftigte. Ich habe nicht nur mit Hilfe des Buches die Sprache Ostafrikas gelernt, sondern auch die Wahrheit dieses Satzes durchbuchstabiert, ja sogar am eigenen Leib erfahren.

Der Afrikaner kann sich nur aus seinem Verhältnis zu anderen Menschen erklären, vor allem aus dem Verhältnis zu seiner Familie, seiner Sippe und seinem Stamm. Andere Menschen haben ihn großgezogen, von anderen hat er all das gelernt, was er fürs Leben braucht, andere erhalten ihn, wenn er alt ist. Aber auch er selbst hat für andere zu sorgen, vorab für seine betagten Eltern, für seine jungen Geschwister, ja für die Angehörigen seiner Sippe, und er hat den Stammesgenossen beizustehen.

Wir Europäer denken und fühle hier anders. Bei uns zählt das Individuum, der einzelne, mit manch schmerzlicher Folgeerscheinung, wie z. B. Vereinsamung und Isolation im Alter.

Der Afrikaner ist ein Gemeinschaftsmensch. Sehr eindrucksvoll bringen das die Lebensbäume der Makonde zu Ausdruck. Die ganze sippe ist in den Stamm des Ebenholzbaumes hinein- oder herausgeschnitzt – vom Urahn bis zum jüngsten Kind, einer steht auf den Schultern des anderen und trägt seine Nachfahren, verwoben und verschlungen mit seinen Geschwistern von verschiedenen Müttern, den Cousins und Cousinen, alle heißen sie Brüder und Schwestern Der Stamm eines Baumes, insbesondere des schwarzen Ebenholzbaumes dient recht sinnenfällig als Ausdruck des afrikanischen Lebensgefühls. So wie die Wurzel den Stamm trägt und der Stamm die Krone mit ihren Ästen und Zweigen, den Blättern und Früchten, so weiß sich jeder einzelne getragen, gehalten und gestützt vom Ganzen, …

… Vergangenheit und Zukunft trifft sich so in jedem Mitglied eines Stammes.

Text und Foto: Pater Anselm Zeller OSB
Benediktinerkloster St. Georgenberg in Tirol

in seinen Memoiren „Mein bunter Lebensbaum“

  • Lieber Pater Anselm, danke für diese geteilte Erfahrung und den Input!
    Viel zu selten blicken wir in südamerikanische oder afrikanische Länder um zu lernen – wie ich finde.
    Wissen Sie zufällig, wie dort mit Epidemien oder einer Pandemie umgegangen wird? Wenn sich der Mensch so sehr im Familienverbund sieht und dort auch bewegt, dann ist ja eine Ansteckungsgefahr eines vielleicht älteren oder gebrechlichen Menschen höher – und dennoch vielleicht gar nicht „schlimmer“… oder?
    Europäische Isolation haben wir (insbesondere in den Lockdowns) kennen gelernt – und dennoch sind die Vorwürfe hoch, wenn es zu Ansteckungen kommt… es solle noch mehr Distanz geben noch mehr Impfbereitschaft usw.
    Liegt es vielleicht daran, dass das Immunsystem gestärkt ist, wenn die Beziehungen tragfähig sind (wie es Prof. Dr. Christian Schubert, Psychoneuroimmunuloge, sagt)?
    Konnten Sie so etwas beobachten? Verhältnismäßig wenig erkrankte vielleicht.
    Was könnten wir da lernen?

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