In all den Jahren und Jahrzehnten war der Kontakt zwischen meiner Cousine Claudia Wastl und mir kein besonders intensiver. Doch dann bei der Beerdigung einer gemeinsamen Tante kamen wir ins Gespräch, in einen intensiven Austausch. Vor wenigen Tagen schenkte sie mir ihr Buch „ClaRas Seelenherz“, ein Projekt, dass sie mit einer Freundin gestaltet. Darin ist der Beitrag Himmelstaucher zu finden, eine Resonanz auf die Heilig Geist Kapelle, die ich gestalten durfte.
Erstaunlich, erfreulich…
Martin Knöferl
Himmelstaucher
In Aresing bei Schrobenhausen befindet sie sich. Die etwas andere Kapelle, welche es vermag mich zu verwandeln. Immer wieder aufs Neue.
Schwer ist mir ums Herz. Denn es sieht so aus, als würden sich bald alte, bekannte Türen hinter mir schießen. Ich spüre eine gewisse Angst und Verunsicherung vor dem, was mich an Neuem erwartet, in mir. Wenn ich so empfinde oder meine Gedanken sich, wieder einmal, zu sehr im Kreis drehen, dann gehe ich an diesen wundervollen Ort der Erbauung und Kraft.
Von Außen unscheinbar, so wirkt die Kapelle, denn sie befindet sich in einem Container. So sind auch wir oft im Außen unscheinbar, haben das Gefühl nicht gesehen, angesehen oder mit unseren Sorgen und Zweifeln nicht ernst genommen zu werden. Was sich hinter den Containerwänden bzw. unserem Äußeren verbirgt, das bleibt so manchem Außenstehenden oftmals verborgen. Viele wollen auch gar nicht erst den Versuch unternehmen bei anderen hinter die Fassade zu blicken, gehen achtlos vorüber, denn sie sind zu sehr mit sich und ihren jeweiligen Lebensbelangen beschäftigt. Und doch, ich weiß für mich, wie mein „Dahinter“ aussieht. Wie es in mir aussieht.
„Herr, nimm mich wie ich bin“, steht auf dem roten Glasornament an der grauen Eingangstüre geschrieben. Diese Worte lasse ich tief in mein Herz fallen und empfinde ein wundervolles Gefühl des Willkommen – Seins in mir. Ich spüre in den Grundfesten meiner Seele, dass Gott mich annimmt, so wie ich bin. Mit all meinen vermeintlichen Fehlern und, dass ich nur all zu oft und all zu kritisch mit mir selbst ins Gericht gehe. Zu ihm, hingegen, kann ich kommen, wann immer ich möchte und wie auch immer ich gerade bin. Zu ihm darf ich all meine Nöte bringen. Er wird sie mir abnehmen. Oder zumindest beim (er-)tragen dessen helfen, was sich nicht so schnell und einfach ablegen lässt. Ein gutes Gefühl umfängt mein Herz und hüllt es ein. Ein Ankommen. Ein Nach-Hause-Kommen. Ich lege meine Hand an die Türklinke, nehme ein paar tiefe Atemzüge, öffne entschlossen die Türe und tauche wortwörtlich ein – in ein tiefes Blau, dem Himmel oder Ozean gleich. Das Blau umfängt mich. Wie ein Embryo im Mutterleib fühle ich mich mit einem Mal. Ich weiß darum geborgen zu sein. Hier entwickelt sich etwas – tief in mir. Mir ist so, als könne ich unter Wasser atmen und mich dabei freischwimmen. Das Blau schenkt mir Vertrauen, Ruhe und die nötige Kühle, um immer tiefer eintauchen und mein Sein in den Fluss des Lebens zurückbringen zu können. Es tut gut zu wissen, dass ich keinen Schlüssel oder gar einen Termin brauche, um bei Gott – und letztlich bei mir selbst – ankommen zu können.
Wie ein Embryo mache ich mich nun auch klein, tauche tiefer, indem ich meine Knie beuge, um auf einen der bereitstehenden Gebetsschemel niederzuknien. Ich schließe meine Augen…
Noch bin ich nicht bereit die vor mir befindlichen Gitterstäbe und Begrenzungen zu betrachten. Noch möchte ich in der Unbegrenztheit des blauen Ozeans schwimmen oder in der Weite des Himmels herumwirbeln, und mich darin verlieren können, ehe ich mich erneut den Begrenzungen des alltäglichen Lebens widme.
Nun bin ich bereit meine Augen für das etwas andere „Meer an Realität und Wirklichkeit“ zu öffnen und betrachte das, in die Gitterstäbe eingefasste und ein Kreuz bildende, Kerzenflackern. Die sanften Bewegungen der Flammen und das heimelige Blau des Raumes vermischen sich. Gerade in diesem Augenblick fühle ich mich Gott sehr nahe und wahrlich gesegnet. Feuer und Wasser, zwei Gegensätzlichkeiten, welche es schaffen einen Regenbogen an den Himmel und Zuversicht in meine Seele zu projizieren. Beide Elemente braucht es hierfür. Im Wasser werden wir gebildet und unser inneres Feuer treibt uns an, unserer Lebensaufgabe und Bestimmung zu folgen. Es braucht die Sanftheit und das Formende, aber auch das Heißblütige und Verwandelnde. Tag ein, Tag aus.
Natürlich gibt es Momente im Leben in denen es nur all zu heiß her geht – alles zu viel wird -, und ich danach regelrecht ausgebrannt bin. Meine, einst in mir heiß lodernden Flammen werden dann von einem zu viel an Emotionen (Wasserelement) oder Gegenwind (Luftelement) erstickt.
Mein Strahlen verblasst immer mehr und auch der einstige Regenbogen gehört zeitweise der Vergangenheit an. Dennoch folge ich, so gut es die Umstände zulassen, meiner Bestimmung – oder vielmehr dem, was ich dafür halte -, so wie auch Jesus seiner Bestimmung bis zum bitteren Ende am Kreuz gefolgt ist. So habe auch ich so manches Mal meine liebe Mühe mit den alltäglichen Kreuzen, habe Schmerzen oder Zweifel, erlebe Unterdrückungen, böse Worte und mache einschneidende Erfahrungen. Ich werde an oder auf etwas, sprichwörtlich, festgenagelt und komme nicht mehr vom Fleck. Mein Lebensfluss beginnt zu stagnieren und droht dereinst vollends zu versiegen – Gott bewahre! Das Feuer, die Geisteskraft in mir, jedoch, wird immer wieder aufs Neue entfacht. Ich beginne dann weiterzukämpfen, für das, was mir wirklich wichtig erscheint und eines Tages werde ich zwar immer noch die gleiche Person und doch als verwandelter Mensch weiterziehen.
So erlebt jeder Mensch seine ganz persönlichen Kreuzgänge.
Hinter den Gitterstäben, an der mittigen Containerwand, ist in einem, ebenfalls gläsernen, Rundfenster eine goldene Taube abgebildet. Auch jenes Glas musste durchs Feuer gehen, ehe es sich gestalten ließ. Jetzt hat es seine Bestimmung gefunden – so kommt mir in den Sinn.
Feuer und Taube, zwei Symbole für das Gleiche: den Heiligen Geist bzw. den heiligenden, ganzmachenden Geist Gottes, der es vermag auch mich zu verwandeln – wenn ich einmal wieder durchs Feuer zu gehen habe- und ich dabei neu von ihm geformt werde. Jene Taube trägt einen Olivenzweig in ihrem Schnabel und flüstert mir zu: „Sei ohne Sorge oder Zweifel. Hoffnung ist in Sicht!“. Auch sie ist klein und unscheinbar, und doch ist die gesamte Kapelle auf diesen einen Punkt in der Mitte ausgerichtet: die Taube.
Bei all dem, was mir das Leben abverlangt, sollte auch ich mich ab und an nach innen richten, auf diesen einen kleinen Punkt, sowie die kleinen und unscheinbaren Segnungen meines Lebens, um dort, in mir, nach Frieden, Hoffnung, Liebe und Zuversicht zu tauchen – alles das, wofür die Taube einsteht. Tief in mir werde ich fündig! Dort, wo ich die Welt draußen lassen kann und darf, in all ihrer Äußerlichkeit und Oberflächlichkeit.
Gott hat mich so angenommen, wie ich zu ihm gekommen bin, und auch in Zukunft kommen werden. Immer wieder aufs Neue. Mit all dem vermeintlich Verurteilungswürdigem, meinen Zweifeln und Sorgen, meiner zeitweiligen Verlorenheit, sowie der Suche nach Unbegrenztheit oder Grenzen sowie meiner spirituellen Heimat.
Wenn ich aufhöre zu kämpfen – sei es für oder gegen etwas oder jemanden – und stattdessen den friedvollen und begeisterten Weg wähle, dann werde ich diesen auch leichter gehen und (er-)leben können!
In mir wird es still. Ich nehme die Kraft des heilenden Raumes, seine tiefe und fühlbare Wahrheit an, und in mein Herz auf. In der Tat steigt Hoffnung in mir auf. Ich spüre eine verschollen geglaubte Zufriedenheit in mir.
Frieden in mir und mich umgebend.
Langsam beginnen sich meine Augen mit Tränen zu füllen, ehe diese über mein Gesicht rinnen und auf den Boden tropfen. So, als würden diese Tränen in den Ozean des Himmels aufgenommen werden. Meine Seele beginnt sich zu reinigen, freizuwaschen, während ich langsam wieder auftauche, mich erhebe…
An der Kapellentür befindet sich erneut ein rotes Glasornament. Dieses Mal werde ich mit folgenden Worten verabschiedet: „Herr, mache mich, wie Du mich haben willst.“
Ich öffne langsam die Türe und trete gestärkt und zufrieden meinem weiteren Leben entgegen, wohl wissend, dass Gott mich immer wieder willkommen heißen wird, wenn ich mich ihm zuwende und eintauche, in sein himmlisches Meer.
Gebet
Jesus, du hast uns deinen Heiligen Geist zugesagt,
den Geist des Mutes und der Kraft,
den Geist der Aufrichtigkeit und der Wahrheit,
den Geist der Gerechtigkeit und des Friedens.
Immer wieder erleben wir,
wie wir und viele um uns herum,
von allen „guten Geistern“ verlassen sind.
Öffne unsere Herzen und hilf uns,
dass wir in gutem, heiligen Geist handeln.
Amen
Vielen Dank für das Teilen von ClaRa’s Seelenherz „Himmelstaucher“. Es war mir eine Ehre diese besondere Geschichte schreiben zu dürfen und wünsche jedem Menschen, der sie liest, alles Liebe und Gute. Lieben Gruß, Ramona Gratschner