Was spricht mich an:
Seine Leitthese, dass wir Gefahr laufen, die Welt schlechterdings zum „Aggressionspunkt“ zu machen: „alles was erscheint, muss gewusst, beherrscht, erobert, nutzbar gemacht werden“ und dass dieser Umgang mit der Welt „durch die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung und durch die polit-ökonomischen Steigerungs – und Optimierungszwänge des Finanzmarktkapitalismus und des entfesselten Wettbewerbs eine neue Radikalität erreicht“ hat. Sehr einleuchtend und gleichzeitig erschreckend für mich dann seine Prognose, dass diese strukturell und kulturell verfestigte Haltung, die Welt als Aggressionspunkt für Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zu begreifen und sich individuell in Reichweite bringen zu wollen, Ursache ist für eine immer weiter voranschreitende Entfremdung von der Welt, für Weltzerstörung und Weltverstummen, für innerliches Unverbunden-sein, für Gleichgültigkeit .
Dem stellt er gegenüber die Welt als „Resonanzpunkt“, deren zentraler Maßstab nicht mehr das Beherrschen und Verfügen, sondern das Hören und das Antworten ist. Dabei geht es immer um den Augenblick. Den Augenblick des sich „inwendig“ erreichen und berühren lassens, den Augenblick der aktiven Antwort darauf, den Augenblick, offen zu sein, sich verändern zu lassen und schließlich um den Augenblick der Unverfügbarkeit, des Geschehenlassens.
Was bedeutet das für mich persönlich:
- Aufzuhören, die Zeit vollzustopfen und zu verdichten und stattdessen darüber nachzudenken, was brauche ich und was braucht es wirklich, damit mein Leben und das der Menschen, die mir lieb und teuer sind, gelingt.
- Mich stattdessen von anderen Menschen, von Musik, Geschichten und von Herausforderungen erreichen zu lassen.
- Mich einzumischen, wo was schief läuft
- Und schließlich mir weniger Sorgen um mich zu machen und stattdessen das Leben zu lieben in all seinen Facetten und Herausforderungen.
Und was bedeutet es für mich als Supervisor:
- Auf meiner Website habe ich den Spruch „innehalten und reflektieren kann Quellen erschließen“, der für mich für den supervisorischen Prozess steht; damit verbinde ich die Haltung, mit SupervisandInnen in Kontakt und Beziehung zu kommen und in Resonanz zu gehen. Es geht mir in der Supervision um hinhören, hinspüren, sich öffnen und sich einlassen und aufeinander Wirkung zu erzeugen.
Dabei möchte ich für meine SupervisandInnen auch erkennbar sein als Person, als jemand, der auch bereit ist, sich durch sein Gegenüber beeinflussen und verändern zu lassen. Gleichzeitig gehört zu dieser Beziehung auch die Bereitschaft, im geschützten Raum der Supervision zugewandt zu konfrontieren.
- Hinzukommt, immer wieder den Aspekt der Unverfügbarkeit zu reflektieren und mir nicht anzumaßen, alles erfasst und damit „geistig verfügbar“ gemacht zu haben. Diese systemische Haltung ist für mich essentiell im Supervisions- Prozess. Wie schnell übersehe ich sonst, dass immer ein „Spalt zur Welt“ zu dem anderen bestehen bleibt. Stattdessen möchte ich mir immer wieder bewusst machen, dass – wie Hartmut Rosa ausführt – „gerade nur in diesem Spalt, in dem, was unverfügbar bleibt, was sich entzieht, wirkliche Erfahrung und Lebendigkeit aufscheinen kann“ in der Supervision.